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Falsche Tatsachen

Das Privilegium Maius und seine Geschichte

Angebliche Urkunde König Heinrichs (VII.)

König Heinrich (VII.) (1211–1242) bestätigt 1228 dem babenbergischen Herzog Leopold VI. (1176–1230) angeblich den Inhalt der Barbarossa-Urkunde (Maius-Privileg im engeren Sinn) und fügt noch einige Erweiterungen hinzu.

Ob es für diese Urkunde eine vernichtete Vorlage gab, lässt sich aufgrund des Schriftbefunds nicht eindeutig klären. Es können aber durchaus Ähnlichkeiten zu anderen Urkunden aus der Kanzlei des Königs festgemacht werden. Dem Schreiber war ein repräsentatives Gesamtbild wichtig, die Ähnlichkeit im Detail ist nicht so ausgeprägt.

‡ In nomine sancte et individue trinitatis amen. Henricus Dei gratia Romanorum rex et semper augustus. ‡ Dignum est nimirum et consentaneum possibilibus rogatibus regiam maiestatem omni tempore annuendo largissime subvenire ipsosque benigniter adinplere. Noverit igitur omnium Christi nostrique regni fidelium etas et successura posteritas, quod nos principum, quorum iure quemque Romanorum regem est eligere, beneplacito, consilio et favore omnia iura, gracias et libertates cunctasque bonas consuetudines nobilium terrarum, scilicet Austrie et Styrie, que usque ad nos ab antiquis inperatoribus Romanorumque regibus plenarie devenerunt, de quibus eciam rite et rationabiliter noster et sacri regni dilectus Leupoldus dux Austrie et Styrie antiquorum inperatorum Romanorumque regum litteris, quas certitudinaliter lesione qualibet procul mota vidimus, plenius nos instruxit. Et cum divina gracia regia perfectissime perfruimur potestate, procul dubio nostram regalem bene condecet largitatem, ut nostros et sacri regni principes eorumdemque terras iuribus et gratiis specialibus sublimemus. E quibus specialiter magnificum et sacro regno fidelissimum summum nostrum principem Leupoldum ducem Austrie et Styrie easdemque suas terras, sequentibus iuribus, gratiis et libertatibus volumus honorare.

[1] Primo, quod si aliquis alicui ducum Austrie et Styrie, quacumque censeretur dignitate, suarum terrarum provincias et talia cetera, quocumque nomine nunccupacioneque censeantur, que aut a regali magnificencia seu a principibus spiritualibus concessionis collacionisve officio derivaretur, legare, dare, obligare, vendere contingeret, eosdem gvenditores sive obligatores huiusmodi regalis nostra maiestas nec aliquis hominum aliqualiter valeat inpedire. Quod si autem eadem vendicio, obligacio, dacio, legacio evenire contingeret tam repente, quod nec regia sublimitas nec horummodi collatores possent aliquatenus requiri, ducibus Austrie et Styrie predictis in eorum iuribus ob hoc nullum eveniat penitus detrimentum.


[2] Etiam idem generosus princeps Leupoldus dux Austrie et Styrie coram nostre maiestatis oculis et electorum Romani regni culminis inquisicione et sentencia obtinuit presollerti secundum suarum antiquarum litterarum recitationem, omnia sua iura seu feoda, cuiuscumque sint condicionis, in equo residens recipiat, talibus collacionibus magnifice preditatus.

[3] Preterea eidem illustrissimo principi Leupoldo duci Austrie et Styrie cunctisque suis sequacibus hanc largiter concedimus dignitatem, ut in sui principatus pilleo nostre regalis corone dyadema solemniter ferre possit, volentes largius omnes suas terras seu diciones, districtus et cetera ad huiusmodi pertinencia, vel que in posterum poterint obtinere, habere cuncta iura, libertates, gracias bonasque consuetudines, quas duces olym terrarum iam dictarum pie recordacionis in conmendabilem ex antiquis consuetudinem perduxerunt, aut que recenter a nostre manibus excellentie susceperunt, quibusvis inpedimentis inviolabiliter procul motis; demum mandantes et sub interminacione gracie nostre districte precipientes, ut nullus sit, qui ausu ductus temerario strennuissimum principem Leupoldum ducem Austrie et Styrie prefatum suosque sequaces audeat inpedire vel alicuius ingenii scrupulo molestare. Quod qui facere presumpserit, offensam nostre celsitudinis se noverit incursurum.

Ad quarum eciam gratiarum concessarum perhennem memoriam presentem eis literam conscribi et sigillo nostro iussimus insigniri. Testes hii sunt: Ludowicus dux Bawarie palatinus comes Reni, Vlricus et Ludowicus comites de Ferreto, Chunradus purgravius de Nurnberc, Fridricus de Truhendingen, Eberhardus dapifer de Walpurc, Chunradus pincerna de Winterstetten, Chunradus de Smidelvelt et alii quam plures.

Acta apud Ezelingen, anno dominice incarnacionis millesimo ducentesimo vicesimo octavo, nono kalendas Septembris, indiccione prima.

Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit, amen. Heinrich von Gottes Gnaden König der Römer und allzeit Mehrer des Reiches. Würdig ist es freilich und angemessen, daß möglichen Bitten die königliche Maiestät zu jeder Zeit durch Zustimmen freigiebigst entgegenkommt und diese gnädig erfüllt.

Wissen möge das Zeitalter aller Getreuen Christi und Unseres Reiches und die künftige Nachwelt, daß Wir mit Zustimmung, Rat und Gunst der Fürsten, denen rechtens zusteht, jeden einzelnen König der Römer zu wählen, alle Rechte, Gnaden und Freiheiten und alle guten Gewohnheiten der edlen Länder, nämlich Österreichs und der Steiermark, [bestätigen], die vollständig von den alten Kaisern und den Königen der Römer bis zu uns herabgekommen sind, über die auch gehörig und vernünftig Unser und des Heiligen Reiches geliebter Leopold, Herzog von Österreich und Steiermark, durch Urkunden der alten Kaiser und der Könige der Römer, die Wir zur Sicherheit und Vermeidung jeden Schadens begutachtet haben, ausführlicher Uns unterrichtet hat. Und da Wir durch göttliche Gnade die königliche Macht in höchster Vollendung genießen, ziert es ohne Zweifel unsere königliche Freigiebigkeit wohl, daß Wir Unsere und des Heiligen Reiches Fürsten und derselben Länder mit Rechten und speziellen Gnaden erhöhen. Von diesen wollen Wir speziell Unseren großmächtigen und dem Heiligen Reich überaus getreuen höchsten Fürsten Leopold, Herzog von Österreich und Steiermark, und ebendiese seine Länder mit den folgenden Rechten, Gnaden und Freiheiten ehren.

[1] Erstens: wenn irgendjemand irgendeinem der Herzöge von Österreich und Steiermark, mit welcher Würde auch immer er bedacht sei, Provinzen seiner Länder und dergleichen mehr, mit welchem Namen oder welcher Benennung auch immer sie bedacht seien, die entweder von königlicher Hochherzigkeit oder von den geistlichen Fürsten auf dem Wege der Gewährung oder der Vergabe sich herleitet, zu vermachen, zu schenken, zu verpfänden, zu verkaufen sich anschickt, daß diese derartigen Verkäufer oder Verpfänder weder Unsere königliche Maiestät noch irgendein anderer Mensch auf irgendeine Weise daran hindern kann. Wenn aber dieser Verkauf, diese Verpfändung, diese Schenkung oder dieses Vermächtnis so plötzlich geschehen muß, daß weder die königliche Hoheit noch derartige Verfügungsberechtigte irgendwie beigezogen werden können, dann soll den vorgenannten Herzögen von Österreich und Steiermark in ihren Rechten deswegen keinerlei Nachteil entstehen.

[2] Auch hat derselbe edle Fürst Leopold, Herzog von Österreich und Steiermark, vor den Augen Unserer Maiestät und aufgrund von überaus sorgfältiger Untersuchung und Beurteilung seitens der Kurfürsten des Römischen Reiches gemäß dem Vortrag seiner alten Urkunden zugestanden bekommen, daß er alle seine Rechte und Lehen, von welcher Beschaffenheit sie auch seien, auf einem Rosse sitzend empfange, reich begabt durch solche Übertragungen.

[3] Außerdem gewähren Wir demselben erlauchten Fürsten Leopold, Herzog von Österreich und Steiermark, und allen seinen Nachfolgern freigiebigerweise die Würde, daß er auf seinem Fürstenhut feierlich das Diadem Unserer königlichen Krone tragen darf, und wollen in noch freigiebigerer Weise, daß alle seine Länder oder Herrschaften, Landkreise und alles andere, was zu dergleichen gehört oder was sie in Zukunft werden erlangen können, über alle Rechte, Freiheiten, Gnaden und guten Gewohnheiten verfügen, welche die weiland Herzöge der bereits genannten Länder frommen Angedenkens in von alters her empfehlenswerte Gewohnheit übernahmen, oder die sie in jüngerer Zeit aus den Händen Unserer Hoheit empfingen, wobei alle erdenklichen Hindernisse unverbrüchlich entfernt seien. Schließlich verfügen Wir und befehlen Wir unter Androhung Unseres Huldentzuges, daß da keiner sei, der von kühner Waghalsigkeit verführt den sehr wackeren Fürsten Leopold, besagten Herzog von Österreich und Steiermark, und seine Nachfolger zu behindern oder durch irgendwie ersonnene Anfechtung zu belästigen wage. Wer sich anmaßt, dies zu tun, der möge wissen, daß er die Beleidigung Unserer Hoheit zu spüren bekommen wird.

Zur ewigen Erinnerung an diese gewährten Gnaden haben Wir auch befohlen, die vorliegende Urkunde ihnen aufzusetzen und mit Unserem Siegel zu fertigen. Die Zeugen sind diese: Ludwig, Herzog von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein, Ulrich und Ludwig, Grafen von Pfirt, Konrad, Burggraf von Nürnberg, Friedrich von Truhendingen, Eberhard, Truchseß von Waldburg, Konrad, Schenk von Winterstetten, Konrad von Schmiedelfeld und andere mehr.

Geschehen zu Esslingen, im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1228, am 24. August, in der ersten Indiktion.

(Übersetzung: Karin Zeleny)

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Auflichtaufnahme

UV-Aufnahme

Infrarotreflektographie

Röntgenaufnahme

Transkription (Latein)

Übersetzung (Deutsch)

König Heinrich (VII.) bestätigt dem Herzog Leopold VI. von Österreich und Steiermark die Privilegien früherer römischer Kaiser und verleiht ihm und seinen Ländern mit Zustimmung der zur Königswahl berechtigten Fürsten weitere Vorrechte.

angeblich Esslingen, 24. August 1228 (Fälschung 1358/59)
Pergament, Wachssiegel an roten Seidenschnüren
Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, AUR 520

Durch sogenannte Streiflichtbeleuchtung, d.h. Beleuchtung des Objekts von der Seite und unter sehr flachem Winkel, können unterschiedliche topographische Effekte deutlich hervorgehoben werden.

Da es sich bei der vorliegenden Urkunde um die vermeintlich ‚älteste‘ des Fälschungskomplexes handelt, ist das Pergament einer Art künstlicher Alterung unterzogen und nach dem Aufbringen des Textes durch nochmaliges Anfeuchten, Zerknüllen und Auftrocknen lassen im geknautschten Zustand in ein gewollt gealtertes Erscheinungsbild versetzt worden.

Die dadurch hervorgerufene, bereits mit freiem Auge erkennbare, unüblich starke Strukturierung des Pergaments wird unter Streiflichtbeleuchtung besonders deutlich.

Durch die Bestrahlung mit UV-Licht können einige Materialien, darunter viele organische Medien, zu verschiedenfarbigen und jeweils charakteristischen Fluoreszenzen angeregt werden. Ebenso treten weitere Informationen zu Veränderungen oder zum Zustand der Objektoberfläche, wie spätere Überarbeitungen bzw. Beschädigungen, oftmals in den UV-Aufnahmen deutlicher zu tage.

Hier ist stellenweise die Vorlinierung für den Text sichtbar, ebenso wie einander überschneidende Randlinien, die als äußere Begrenzung des Textfeldes fungieren. An der Oberkante der Urkunde fällt ein Streifen deutlich hellerer Fluoreszenz auf, bei dem es sich um durchgedrungenen Klebstoff von einem früher, vermutlich in einem Ausstellungszusammenhang, auf der Rückseite angebrachten Klebestreifen handelt.

Die Infrarotreflektographie (IRR) ermöglicht einen tieferen Einblick in den Aufbau von Objekten. Für Urkunden können durch den Einsatz der IRR vor allem Rückschlüsse auf Oberflächenphänomene und die verwendeten Tinten, üblicherweise Eisengallustinte oder kohlenstoffbasierte Tinte (Rußtinte), gezogen werden.

Das hier verwendete Kalbspergament erscheint etwas glatter als das der anderen Urkunden; außer den Bügen der originalen Faltung sind kaum Deformierungen erkennbar. Die Oberflächenstruktur der Tierhaut zeichnet sich jedoch auch hier deutlich ab; stellenweise sind Schabspuren vom Herstellungsprozess des Pergaments zu erkennen.

Die Sichtbarkeit der Tinte ist im IRR generell sehr gut, was für einen durchgehend hohen Zusatz von Rußtinte zur Eisengallustinte spricht.

Röntgenstrahlung kann Objekte durchstrahlen, wird dabei in Abhängigkeit von der Objektdichte (Dicke) und/oder dem Vorhandensein schwerer Elemente unterschiedlich stark abgeschwächt und trifft danach auf einen röntgenempfindlichen Film.

In der Röntgenaufnahme erkennt man, dass ungefähr eine halbe Kalbshaut für die Urkunde Verwendung gefunden hat. Ein Abdruck der Wirbelsäule des Kalbs verläuft horizontal durch die Mitte der Urkunde; zum linken Rand hin finden sich Spuren des Steißbeins. Weiters sind auf der beschriebenen Fleischseite des Pergaments stellenweise Schabspuren in Form feiner, parallel verlaufender Linien sichtbar, die vom Fertigungsprozess des Pergaments herrühren.

Die deutliche Sichtbarkeit der Tinte in der Röntgenaufnahme weist auf die Verwendung von Eisengallustinte hin.